Mieten oder Kaufen? Nicht nur die Zahlen entscheiden!

Celine Nadolny, preisgekrönte Finanzbloggerin, Forbes „30 under 30“ und Deutschlands einflussreichste Sachbuchkritikerin teilt mit uns in diesem Gastbeitrag ihre persönlichen Gedanken und Erfahrungen zum Thema „Mieten oder Kaufen“.

Mehr als nur eine finanzielle Entscheidung

Die Frage, ob Mieten oder Kaufen die bessere Wahl ist, wird oft auf rein finanzielle Aspekte reduziert. Statistisch gesehen kann ein gut geplanter ETF-Sparplan langfristig höhere Renditen bringen als der Kauf einer Immobilie. Doch die Realität sieht oft anders aus: Wohnraum ist mehr als nur eine Investition – er ist ein Lebensgefühl, ein Zuhause, ein Ort der Freiheit. Genau diese Aspekte werden oft unterschätzt.

Während es sich auf dem Papier lohnen kann, die Kaufnebenkosten zu sparen und das Kapital in den Kapitalmarkt zu investieren, stehen Mieter oft vor Herausforderungen, die über finanzielle Berechnungen hinausgehen. Einschränkungen bei der Gestaltung, mögliche Konflikte mit dem Vermieter und das Gefühl, nur “zu Gast” zu sein, können das Mieten zu einer unbefriedigenden Erfahrung machen. Auf der anderen Seite kann der Kauf einer Immobilie mit Risiken und Verpflichtungen einhergehen, die ebenfalls nicht unterschätzt werden dürfen.

Persönliche Erfahrungen: Einschränkungen als Mieter

Mein persönlicher Traum ist es, irgendwann einen eigenen Hof zu haben. Viel Platz für Kinder, Freunde, Verwandte – und natürlich für Tiere: Esel, Ziegen, Hasen und Co. Doch solche Immobilien lassen sich kaum mieten, und wenn doch, gibt es oft erhebliche Einschränkungen. Das durfte ich selbst erleben:

In meiner letzten Mietwohnung musste ich vieles hinnehmen. Böden, Türen und Fußleisten entsprachen nicht meinem Geschmack. Rollläden hätte ich gerne gehabt, doch mein Vermieter sah keinen Bedarf. Und dann die ständigen Diskussionen: über Fenster, die im Winter kalte Luft durchließen, über Schmutz im Hausflur, für den wir nicht verantwortlich waren, oder – kaum zu glauben – über das Wühlen des Vermieters in unserem Müll. Diese ständige Abhängigkeit war belastend.

Die fehlende Kontrolle über das eigene Wohnumfeld kann frustrierend sein. Selbst kleine Veränderungen müssen oft mit dem Vermieter abgestimmt werden. In meinem Fall hätte ich gerne einige Renovierungen vorgenommen, doch es gab klare Vorgaben, was erlaubt war und was nicht. Diese Abhängigkeit war ein ständiger Kompromiss zwischen Komfort und Machbarkeit.

Finanzielle Aspekte: Miete + ETF vs. Kaufen

Natürlich sprechen finanzielle Argumente für das Mieten in Kombination mit einem ETF-Sparplan. Durch den Verzicht auf hohe Kaufnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Maklergebühren) kann das ersparte Kapital gewinnbringend angelegt werden. Historisch betrachtet erzielen breit gestreute Aktienportfolios eine höhere Rendite als der Wertzuwachs einer Immobilie.

Ein weiterer Vorteil des Mietens ist die Flexibilität. Wer seinen Job wechselt oder sich privat verändert, kann einfacher umziehen. Dies ist insbesondere in unsicheren Zeiten oder für Personen, die noch nicht langfristig an einen Ort gebunden sind, ein bedeutender Vorteil.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Eigentümer profitieren von steigenden Mietpreisen, einem inflationsgeschützten Sachwert und der Möglichkeit, die Immobilie später zu vererben oder zu vermieten. Zudem gibt es steuerliche Vorteile, etwa bei der Finanzierung oder im Alter durch mietfreies Wohnen. Langfristig kann der Kauf einer Immobilie eine Absicherung gegen Altersarmut sein, da keine Mietkosten mehr anfallen.

Ein oft unterschätzter Aspekt ist auch der Vermögensaufbau durch Tilgung. Während Mieter ihre monatliche Zahlung dem Vermieter überlassen, zahlen Eigentümer in ihr eigenes Vermögen ein. Nach 20 bis 30 Jahren ist das Haus abbezahlt und stellt einen beträchtlichen Wert dar – unabhängig von der Marktentwicklung.

Psychologische und emotionale Faktoren

Während Mietwohnungen oft mit Einschränkungen verbunden sind, bietet Eigentum Freiheit. Wer eine Immobilie besitzt, kann sie nach seinen Wünschen gestalten, renovieren oder umbauen. Dieses Gefühl der Unabhängigkeit hat einen Wert, der sich nicht in Zahlen messen lässt.

Hinzu kommt der Sicherheitsaspekt: Während Mieter bei Eigenbedarfskündigungen oder Mieterhöhungen oft wenig Handlungsspielraum haben, genießen Eigentümer langfristige Stabilität.

Ein weiterer psychologischer Faktor ist das Gefühl von Heimat. Eine gekaufte Immobilie wird meist mit mehr persönlicher Identifikation verbunden als eine Mietwohnung. Dies kann insbesondere für Familien oder Menschen, die eine langfristige Perspektive suchen, entscheidend sein. Das Wissen, dass man bleiben kann, solange man möchte, schafft eine emotionale Sicherheit, die das Mieten oft nicht bieten kann.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen beim Eigentum: Reparaturen, Instandhaltung und mögliche Wertschwankungen müssen bedacht werden. Doch für viele überwiegt das Gefühl der Kontrolle über die eigenen vier Wände.

Zukunftsperspektiven: Marktbedingungen und Trends

Die Entscheidung für Mieten oder Kaufen ist nicht nur eine persönliche, sondern auch eine wirtschaftliche Frage. In den letzten Jahren sind Immobilienpreise stark gestiegen, während Zinsen lange niedrig waren. Inzwischen haben steigende Bauzinsen die Finanzierung verteuert. Dennoch bleibt Wohneigentum in vielen Regionen begehrt, da Wohnraum ein begrenztes Gut ist.

Auf der anderen Seite erleben viele Mieter, dass die Mieten kontinuierlich steigen. Besonders in Metropolen wie München, Hamburg oder Berlin haben sich die Mietpreise in den letzten Jahren teils drastisch erhöht. Wer hier langfristig wohnen möchte, kann durch den Kauf einer Immobilie Stabilität schaffen.

Ein interessanter Trend ist das zunehmende Interesse an alternativen Wohnmodellen wie Mehrgenerationenhäusern, Tiny Houses oder Co-Housing-Projekten. Diese Konzepte können den Wunsch nach Eigentum und Gemeinschaft verbinden und neue Wege eröffnen.

Mein Fazit: Die “richtige” Entscheidung ist individuell

Ob Mieten oder Kaufen die bessere Wahl ist, hängt von den persönlichen Prioritäten ab. Wer flexibel bleiben und finanziell optimieren möchte, kann mit einem ETF-Sparplan gut fahren. Wer hingegen Wert auf langfristige Sicherheit, Gestaltungsspielraum und ein echtes Zuhause legt, für den kann der Kauf – trotz aller Kosten – die bessere Entscheidung sein. Denn manchmal sind es nicht die Zahlen, die zählen, sondern das Leben, das man führen möchte.

Letztendlich gibt es keine universelle Antwort auf die Frage „Mieten oder Kaufen?“. Es kommt darauf an, welche Faktoren für den Einzelnen am wichtigsten sind: finanzielle Rentabilität, Flexibilität, Sicherheit oder die Freiheit, den eigenen Wohnraum nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Wer seine Prioritäten kennt, trifft die beste Entscheidung – unabhängig davon, was statistische Berechnungen sagen.

Danke an Celine Nadolny für diesen Gastbeitrag!

Mehr Infos zu Celine Nadolny findet ihr auch unter: bookoffinance.de sowie Celine Nadolny | LinkedIn und Celine Nadolny 🤍 | Sachbücher, Finanzen & Self Growth (@bookoffinance) • Instagram-Fotos und -Videos.

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